Schöpfung geschieht nicht aus Plänen, sondern als Komposition

Verworfener Plan
Verworfener Plan

Schöpfung geschieht nicht aus Plänen, sondern als Komposition

In Katastrophenzeiten schaltet sich fast ohne Zutun neben dem archaischen Gefühl der Angst das kollektive Gedächtnis ein und ruft Bilder von Untergängen auf. Das erste Ereignis dieser Art, von dem bereits im 6. Kapitel des Buches Mose erzählt wird, handelt von der gewaltigen Flut, die beinahe alles Leben auf der Erde vernichtet hat. Zwar entsprang die Sintflut einer Reaktion Gottes auf die Schlechtigkeit der damaligen Menschen, aber sein Empfinden war überraschenderweise eine Art Reue über seine eigene Schöpfertat: »Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, von der Fläche des Erdbodens auslöschen, vom Menschen bis zum Vieh, bis zu den kriechenden Tieren und bis zu den Vögeln des Himmels; denn ich habe bereut, dass ich sie gemacht habe« 1. Mose 6,7).

 

Bereits an dieser Stelle der jüdisch-christlichen Entwicklungsgeschichte verabschiedet sich damit die Gottheit von ihrem bisherigen Plan und fügt dem schöpferischen Gesamtwerk resignativ ein neues Kapitel hinzu. In der Errettung von Noah und den Seinen auf der Arche und dem Ende der Flut kommt ein weiteres kompositorisches Element hinzu: Noch einmal wendet sich der Plan, indem Gott mit dem Wolkenbogen das Zeichen einer zweiten Resignation vollzieht: »Nicht noch einmal will ich den Erdboden verfluchen wegen des Menschen (…) und nicht noch einmal will ich alles Lebendige schlagen, wie ich getan habe. Von nun an, alle Tage der Erde, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht« (1. Mose 8,21–22).

 

Das traditionelle Christentum hat Gottesbilder erschaffen, die uns einen in menschlich moralischer Sicht guten oder strengen Herrn zeigen, der seine Geschöpfe straft oder belohnt – je nachdem, ob sie seinem Weltenplan folgen oder nicht. Was aber, wenn Gott auch das scheinbar Ungerechte und sogar Böses in seiner Komposition der Weltenmusik gelten lässt – etwa in dem Sinne, dass er neu geschaffene, auch unvollkommene Verhältnisse annimmt und schöpferisch auf sie reagiert? Die momentane Weltlage mit der anhaltenden Pandemie und der Entzweiung, die sie nach sich zieht, könnte so etwas sein. Einen weihnachtlichen Gedanken, der mir in den letzten Tagen durch die Seele gezogen ist, könnte ich so in Worte fassen: Wenn wir feiern, dass sich Gott in Christus auch in diesem Jahr der Erde zuwendet, wenn wir ihn als den kommenden Erlöser zu erkennen suchen, dann nimmt er sich doch dieser Erde so an, wie sie jetzt gerade ist. Mit der Bedrohung des Virus, mit dem anderen Virus drohender Uneinigkeit und Entzweiung. Sein aktuelles »Ja« zur Erde als seinem Wohnort könnte auch uns Christen dazu bewegen, die für uns schwierige momentane Lage anzunehmen und trotzdem darauf zu sehen, wie wir diese Erde und unser Miteinander zu einem besseren Ort gestalten können, das seinem göttlichen Wesen und unserem göttlichen Potential mehr und mehr entspricht.

 

Ulrich Meier, 27.12.2021

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