Chronik

Gründung des Jenaer Zweigs 1922
Knebel-Pavillon in der Grietgasse
Jenaer Bücherstube
Weiheraum in der Kaiserin-Augusta-Straße 17, 1936 bis 1941
Weiheraum in der Botzstraße 2 vor dem Umbau
Weiheraum in der Botzstraße 2, Pfingsten 1956
Grundsteinlegung Markuskirche 1980
Einweihung Markuskirche 1981
Markuskirche Altarraum 1981
Gemeindegrab auf dem Nordfriedhof
Der Altarraum nach der Renovierung 2022

Gründung des Jenaer Zweigs 1922

Die Gemeinde Jena wurde am 2. Advent 1922 (10.12.1922) mit einem ersten Gottesdienst im Haus „Bernhard“ in Jena-Zwätzen begründet.
Dessen Besitzer Richard Seebohm (01.01.1866-18.09.1934), Leiter des „Fichte-Schiller-Zweiges“ der Anthroposophischen Gesellschaft, gehörte zu den ersten Mitgliedern und stellte die Räumlichkeiten für die Anfangszeit zur Verfügung. Nach weiteren Provisorien in privaten Wohnungen konnte ab 1924 der „Knebel-Pavillon“, ein Gartenpavillon in der Grietgasse, welcher der Wandervogelbewegung als Jugendherberge diente, genutzt werden.

Knebel-Pavillon in der Grietgasse
Bis 1932 war Jena Filialgemeinde der etwas früher gegründeten Gemeinde Naumburg. Der dort tätige Priester Dr. Eberhard Kurras (28.06.1897-22.08.1981) betreute sie hauptsächlich, unterstützt von 1924-1925 durch Kurt Philippi (16.10.1892-19.03.1955) und von 1929 bis 1931 von Hermann Fackler (10.04.1886-19.07.1978).

Anthroposophische Heilpädagogik

Jena ist der Geburtsort der anthroposophischen Heilpädagogik. Sie brachte in diesen Anfangsjahren einen wichtigen Zustrom an initiativen Menschen in die Gemeinde. Den „Mutterboden“ für diese Neugründung hatte das Wirken von Johannes Trüper (02.02.1855-01.11.1921) in seinem „Heim für entwicklungsgeschädigte und -gestörte Kinder“ auf der „Sophienhöhe“ gebildet. Die Studenten Franz Löffler (22.11.1895-05.11.1956), der eine Tochter Trüpers heiratete, Albrecht Strohschein (03.12.1899-01.10.1962) und Siegfried Pickert (03.06.1898-12.03.2002), zu denen noch Werner Pache (03.09.1903-22.05.1958) und die Ärzte Dr. Heinrich Hardt (18.06.1896-23.07.1981) und Dr. Ilse Knauer (07.01.1893-03.08.1981) hinzukamen, begannen in einer ehemaligen Gaststätte auf dem zum Stadtteil Lichtenhain gehörenden Lauenstein unter primitivsten Bedingungen im Frühjahr 1924 mit der Arbeit. Am 18. Juni 1924 besuchte sie Dr. Rudolf Steiner (27.02.1861-30.03.1925) auf der Durchreise und hielt anschließend vom 25.06.-07.07.1924 den so genannten „Heilpädagogischen Kurs“ in Dornach, die Grundlage anthroposophischer Heilpädagogik. - Über 7 Jahre wurde in Jena intensiv heilpädagogisch gearbeitet, ab 1926 auch zusätzlich im oben genannten Haus „Bernhard“, weil im „Lauenstein“ nicht mehr genug Platz war. Ab 1928 verließen die Gründungspersönlichkeiten nacheinander Jena, um an anderen Orten heilpädagogische Institute aufzubauen. Heute findet man in über 90 Ländern der Erde solche Einrichtungen. In Jena selbst aber konnte diese Arbeit nicht fortgesetzt werden.

Auch für anthroposophische Pädagogik, kurz „Waldorfpädagogik“ genannt, fand sich ab 1924 ein Kreis von Menschen zusammen, die intensiv an den Grundlagenwerken arbeiteten. Das führte in Jena zwar zunächst nicht zu einer Schulgründung, floss aber in die Tätigkeit dieser meist sowieso als Lehrer an Volks- und höheren Schulen Tätigen mit ein.

Gründung der Jenaer Gemeinde

1929 hatte die Anthroposophische Gesellschaft das Eckhaus am Johannisplatz 28 von der Stadt Jena gemietet.

Jenaer Bücherstube
Am 07.12.1929 eröffnete Hellmut Schmidt (19.04.1892-27.09.1978) darin die „Goetheanum-Bücherstube“, die von dem Architekten Felix Kayser (18.03.1892-03.03.1980) komplett anthroposophisch gestaltet worden war. Nach dem Machtwechsel 1933 musste sie in „Jenaer Bücherstube“ umbenannt werden und besteht unter diesem Namen bis heute. Für die Christengemeinschaft wurde sie insofern bedeutsam, als sie ab 1930 im Obergeschoss des Hauses einen dringend benötigten größeren Raum bekam, den sie ständig nutzen konnte.

Da die Gemeinde tragfähig genug geworden war, konnte ab Weihnachten 1932 Franziska Stintzing (16.09.1889-26.02.1970) die Arbeit in Jena aufnehmen und damit nach 10 Jahren die Zeit als Filiale von Naumburg beenden. Neben vielen unmittelbar mit dem Gemeindeleben zusammenhängenden Aktivitäten wurde ab Weihnachten 1935 das Oberuferer Christgeburtsspiel aufgeführt, zu dem 1937 noch das Oberuferer Dreikönigsspiel hinzutrat (1919 hatte es bereits Aufführungen dieser sehr alten Volksspiele deutscher Siedler aus der Gegend von Bratislava in Jena gegeben, damals aufgeführt von einer Gruppe von Oberschülern, die mit dem „Wandervogel“ verbunden waren). Zu Ostern 1936 machte sich wieder ein Umzug nötig: in der Kaiserin-Augusta-Straße 17 (heute Kollwitzstraße) wurden neue, selbst gestaltete Räume eingerichtet, die das trotz der immer spürbarer werdenden Spannungen zu dem politischen und geistigen Leben des 3. Reiches sich entwickelnde Gemeindeleben aufnehmen konnten.

Weiheraum in der Kaiserin-Augusta-Straße 17, 1936 bis 1941
Von 1935 bis 1939 kam Dr. Otto Franke (27.12.1897-17.06.1956) als zweiter Priester in die Gemeinde, um die wachsende Fülle der Aufgaben zu bewältigen. Ihm folgte Wilhelm Salewski (20.09.1889-01.02.1950), der bis zu Verbot der Christengemeinschaft durch die nationalsozialistische Regierung im Juni 1941 in Jena arbeitete. Beide Priester mussten für drei Wochen in Haft, das Eigentum der Gemeinde wurde aufgelöst – eine Zeit des Aufbaus und intensiven Lebens war beendet.

Wiederaufleben nach 1945

Trotzdem wurde in der Verbotszeit das geistige Leben im Untergrund aufrechterhalten und die menschlichen Beziehungen gepflegt. Als im April 1945 in der Auflösung des totalitären Staates das Verbot gegenstandslos wurde, konnte am 29.04.1945 mit einem Gottesdienst im Hause von Dr. Wilhelm Schneider (28.08.1895-22.03.1982), dem Direktor des Jenaer Amtsgerichtes, das Gemeindeleben wieder beginnen. Bereits am 08.08.1945 wurde das Provisorium mit dem Einzug in einen Raum im Forstweg 12, dem „Normannenhaus“, beendet. Die Tatsache, dass zu Weihnachten 1945 alle drei Oberuferer Weihnachtsspiele aufgeführt werden konnten, macht deutlich, dass die Gemeinde auch personell wieder tragfähig wurde. Allerdings war die Frage nach geeigneten Räumlichkeiten bald wieder aktuell: von Januar bis September 1947 konnte vorübergehend ein Raum im Oberlandesgericht genutzt werden, bis endlich im September 1947 in der Botzstrasse 2 eine Etage soweit umgebaut war, dass die Gemeinde dort nun auf lange Zeit eine angemessene Hülle hatte.

Weiheraum in der Botzstraße 2 vor dem Umbau
Da Franziska Stintzing, die als einzige Priesterin während und nach der Verbotszeit in Jena geblieben war, dringend Verstärkung brauchte, kam von 1947 bis Ende Juli 1949 Wolfgang Jungermann (26.07.1906-04.04.1975) als 2. Kollege hinzu. Er trug als besonderes Anliegen eine thüringenweit ausstrahlende Jugendarbeit in das Gemeindeleben hinein. Ihm folgte im Juni 1949 Gerhard Wöhrmann (27.11.1909-28.03.1987), der bis 1954 in Jena arbeitete.
Die Arbeit weitete sich aus: zu der schon vor der Verbotszeit entstandenen kleinen Filialgemeinde in Weimar kam ab Pfingsten 1949 noch Gera als Filiale hinzu. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit kam vor allem ein Vortragszyklus an, den Lic. Emil Bock (19.05.1895-06.12.1959) am 24. und 25.05.1950 hielt: „Der Weg zu Christus im 20. Jahrhundert“. An ihm nahmen hunderte von Zuhörern teil.

Nach der Gründung der DDR am 07.10.1949 stand wieder die Frage im Raum, wie sich der nun sozialistische Staat gegenüber der religiösen Betätigung verhalten würde. Nach Ankündigungen in der Presse, dass ab dem 01.06.1950 nur noch solche Religionsgemeinschaften zusammenkommen dürften, die über eine offizielle Registrierung verfügten, stand erneut die gesamte Arbeit in Frage: mit einem Schlage waren nur noch stille Hausandachten möglich. Nirgendwo war zu erfahren, wo eine solche Registrierung vorzunehmen sei. Dem juristischen Sachverstand und der Beharrlichkeit Dr. Wilhelm Schneiders ist es zu danken, dass schließlich nach langem Suchen in Berlin ein Ansprechpartner gefunden und die Registrierung vorgenommen werden konnte (das Fehlen einer offiziellen Anlaufstelle war anscheinend gewollt; auf eine entsprechende Frage hin wurde geantwortet, man „...wolle mal sehen, wer sich kümmert.“). Am 13.09.1950 konnte die Christengemeinschaft als eine von 28 zugelassenen religiösen Gemeinschaften in der DDR die Arbeit wieder aufnehmen.
1951 wurde die Gemeinde Weimar selbständig und musste nicht mehr von Jena aus versorgt werden. Das Jenaer Gemeindeleben bekam mit Theateraufführungen, Konzerten, Malkursen und kunstgeschichtlichen Vorträgen einen künstlerischen Zug. Mit Gerhard Dittmann (20.06.1928-13.10.2007), der von 1953 bis 1959 als Priester in Jena arbeitete, wandelte sich dieses Element zum unmittelbaren Arbeitsansatz: möglichst viele Menschen der Gemeinde in künstlerische Tätigkeiten einzubeziehen. Auch die umfassende Neugestaltung des Gemeinderaumes im Frühjahr 1956 konnte so aus der Gemeinde heraus geleistet werden.

Weiheraum in der Botzstraße 2, Pfingsten 1956
Daneben entwickelte sich im Laufe der 1950iger Jahre ein starker sozialer Impuls, aus dem schließlich ein Hilfsdienst entstand, der mit einer festen und einigen ehrenamtlichen Mitarbeitern Familien-, Alten- und Notfallhilfe ermöglichte. Dies alles gelang, obwohl die Gemeinde bis 1961 zunehmend von der Abwanderung vieler Mitglieder nach der BRD betroffen war, die sich durch Neuzugänge nicht vollständig ausgleichen ließ.
60jährig wegen seiner Vortragstätigkeit aus dem Justizdienst der DDR entlassen kam Dr. Wilhelm Schneider nach Ausbildung, Priesterweihe und kurzer Tätigkeit in Zwickau im Oktober 1958 als Gemeindepfarrer wieder nach Jena. Nachdem Gerhard Dittmann nach Zwickau gegangen und Franziska Stintzing im September 1959 in den Ruhestand getreten war, sorgte er zusammen mit Ulrich Koehler (geb. 22.08.1928) für einen intensiven Fortgang der Arbeit. Dieser war als letzter noch in der BRD ausgebildeter Priester 1956 zur Arbeit in die DDR gekommen und hatte im April 1959 in Jena begonnen, wo er bis 1985 arbeitete. Es folgten Jahre des ruhigen Gemeindeaufbaus, in die von 1964-1968 Wolfgang Wetzel (geb. 16.04.1934) als 3. Priester hinzukam.

Ein besonderes Gewicht bekam im Laufe der Zeit die Arbeit mit den Kindern. Die zunehmend einseitige und ideologisch eingeschränkte Schulbildung versuchte man im Rahmen der Gemeinde mit dem auszugleichen, was aus einem waldorfpädagogischen Ansatz heraus für eine möglichst umfassende Bildung getan werden konnte. Das geschah zunächst unmittelbar im Religionsunterricht, später dann, zusammen mit anderen Gemeinden, in Ferienlagern für Kinder und Jugendliche an verschiedenen Orten, ab 1972 im „Haus auf dem Berge“ in Hauteroda, dem ersten eigenen Freizeitenheim der Christengemeinschaft in der DDR. Von 1967 bis 1976 kam Ilse Wünderlich (21.10.1924-24.05.1984) in die Jenaer Gemeinde. Sie konnte gerade auf diesem Felde das übernehmen, was Dr. Schneider altershalber bis zu seiner Übersiedelung nach Dortmund im Jahre 1972 abgeben wollte.
Als Nachfolger von Ilse Wünderlich stellte sich 1976 Hartwig Knabe (16.11.1949-25.01.2002) an Ulrich Koehlers Seite. Die Jugendarbeit intensivierte sich. Mehr und mehr wurden die Räumlichkeiten in der Botzstraße 2 als beengend erlebt und nach Alternativen gesucht. Als deshalb das Angebot von der Deutschen Akademie der Wissenschaften kam, im Tausch für die bisherigen Räume ein Haus samt einem größeren Schuppen in der Schaefferstrasse 11 zu bekommen, war die Bereitschaft sofort da. Nach intensiven Vorplanungen wurde entschieden, den Schuppen vollständig zu einer freistehenden kleinen Kirche umzubauen und das Haus als Gemeindehaus zu nutzen.


Grundsteinlegung Markuskirche 1980

Nach der Grundsteinlegung am 25.05.1980 konnte mit finanzieller Hilfe vieler Gemeinden in der BRD und umfangreicher Eigenleistung der Jenaer Gemeinde in knapp einem Jahr der Bau ausgeführt werden.


Einweihung Markuskirche 1981

Am 15.03.1981 wurde die „Markus-Kirche“ als erste freistehende Kirche der Christengemeinschaft in der DDR geweiht.


Markuskirche Altarraum 1981

Die neuen räumlichen Möglichkeiten wurden genutzt: Tagungen und größere Theateraufführungen konnten stattfinden, ein Hausmeister und eine Kantorin bekamen eigene Aufgaben, der Religionsunterricht erweiterte sich um künstlerische und handwerkliche Fächer.

Nach 1990

Als dann im Zuge der Wende 1989 plötzlich die Möglichkeit entstand, freie Schulen zu gründen, gehörten die Eltern und Unterrichtenden in der Gemeinde sofort zu denen, die sich für eine Freien Waldorfschule einsetzten. Mit deren Gründung im Herbst 1991 konnte die Waldorfpädagogik aus dem Schutz der Gemeinde heraustreten, unter dem sie notwendigerweise so lange gelebt hatte, und unabhängig eigene Wege gehen.

Waren mit Joachim Knispel (geb. 28.11.1954), der von 1986 bis 1987, und mit Walter Hering (geb. 13.08.1958), der von 1988 bis 1989 in Jena arbeitete, neben Hartwig Knabe schnelle Kollegenwechsel gewesen, so begann mit Friedegard Wenke (07.04.1942-01.04.2004) im Dezember 1989 eine zehnjährige stabile Zusammenarbeit, die durch alle Umbrüche der folgenden Jahre hindurch trug: Restitutionsansprüche von Alteigentümern des Hauses waren gütlich beizulegen, die wirtschaftlichen Gegebenheiten mussten völlig neu geordnet werden, Hausmeister und Kantorin mussten sich neue Aufgaben suchen. Auch in der Mitgliedschaft kam durch Weg- und Zuzug vieles in Bewegung. Als Friedegard Wenke 1999 nach 10jähriger und Hartwig Knabe 2001 nach 25jähriger Arbeit Jena verließen, um in anderen Gemeinden zu arbeiten, war die Jenaer Gemeinde in sich so tragfähig, dass sie ein Interimsjahr bis zum Beginn der Arbeit des neuen Priesters Georg Schaar (geb. 24.08.1967) in 2002 mit Eigeninitiative und Vertretungen überbrücken konnte. Im Frühjahr 2013 erreichte Georg Schaar der dringende Rufe in die Gemeinde Überlingen, so dass in der Jenaer Gemeinde nach langen gedeihlichen Jahren im Sommer 2013 eine Erneuerung stattfand. Zunächst mittelfristig geplant war die Tätigkeit von Elke Jacobeit (ehem. Cuadros/Hartmann) aus Leipzig ab September 2013.

Nach nun sechsjähriger Tätigkeit in der Gemeinde wechselte sie im Sommer 2019 nach Weimar und die Priester Johanna und Jakob Besuch kamen von Überlingen am Bodensee in die Gemeinde Jena. Seither bewohnen sie mit ihren inzwischen 5 Kindern auch das Gemeindehaus in der Schaefferstraße.

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Gemeindegrab auf dem Nordfriedhof Seitdem ist 2004 ein Gemeindegrab auf dem Nordfriedhof entstanden, die Gebäude wurden an vielen Stellen erneuert und in all’ dem ein Gemeindeleben zu gestalten versucht, was dem Kernanliegen der Christengemeinschaft, der religiösen Erneuerung in der Gegenwart zu dienen, gerecht wird.