Was wir sind

Die Christengemeinschaft - was ist das?

Eine kurze Einführung durch Claudio Holland
 

 

Bei vielen Menschen gibt es heute eine Sehnsucht nach Sinn und Spiritualität. Zugleich gibt es stärker denn je ein Bedürfnis nach unbedingter Freiheit.

 

Das Christentum hat oft den Ruf, einerseits oberflächlich und ohne Beziehung zur Lebenswirklichkeit zu sein, andererseits die Freiheit des Menschen einzuengen. Gerade Christus hat aber die Freiheit und zugleich eine neue Nähe zwischen göttlicher und menschlicher Welt erst ermöglicht.

 

Beidem zu dienen – der Freiheit und der spirituellen Tiefe – ist ein zentrales Anliegen der Christengemeinschaft.
 

 

Wie entstand die Christengemeinschaft?

 

Nach dem ersten Weltkrieg suchte eine Gruppe vorwiegend junger Studenten und Theologen nach neuen Formen des christlichen Lebens. Sie vermissten einerseits religiöse Tiefe und Spiritualität, andererseits die Freiheit, die von außen oft stark eingeschränkt wurde. In der Anthroposophie Rudolf Steiners entdeckten sie einen Weg, das Christentum neu zu verstehen und dem religiösen Leben neuen Inhalt zu geben. Mit seiner Hilfe gründeten 45 Menschen 1922 die Christengemeinschaft.

 

1941 wurde sie unter den Nationalsozialisten in Deutschland verboten, lebte aber im Verborgenen weiter, bis sie nach 1945 in der Öffentlichkeit neu beginnen konnte. Seither ist die Christengemeinschaft gewachsen. Sie betreibt keine Missionierung, sondern geht überall dorthin, wohin sie gerufen wird. Gemeinden gibt es heute in den meisten Ländern Europas, in Nord- und Südamerika, in Australien, Japan und im südlichen Afrika.
 

 

Rituale – Form und Freiheit in einem

 

Alle Gottesdienste werden in kultischer, ritueller Form gehalten: es werden Gewänder getragen, Worte und Abläufe sind klar geordnet vorgegeben. Das ist keine starre Einengung, sondern es hat einen einfachen Grund:

 

Will eine Seele als Mensch auf die Erde kom­men, so braucht sie einen geeigneten Leib, der nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten geordnet und geformt ist. Die Rituale der Christengemeinschaft haben den Sinn, Christus eine Möglichkeit zu schaffen, auf der Erde bis in die Substanz gegenwärtig zu werden. Auch hier braucht es geeignete Formen, damit er unter uns leben und in Freiheit für uns erlebbar werden kann.
 

 

Lehrfreiheit und Glaubensfreiheit

 

Neben der klaren kultischen Form gilt in der Lehre voll­ständige Freiheit, mit der Einschränkung für den Priester, dass er nicht dem Wortlaut der Rituale wi­der­sprechen darf.

 

Je­der Mensch in der Gemeinde erarbeitet sich selbst durch eigene Er­kennt­nis und eigene Er­fahr­ung sei­n Vertrauen in die geistige Welt. Das Ab­le­gen des Glaubensbekenntnisses, das im Got­tes­dienst nur der Priester spricht, wird selbst bei der Mitgliedsaufnahme nicht ge­for­dert. Es gibt keine spezifische Sonderlehre. Es ist aber mög­lich und er­wünscht, ei­gene Ge­dan­ken zu äu­ßern, auch wenn sie nicht einer tradi­tio­nellen Lehrmeinung ent­sprechen.
 

 

Sakramente – Schritte menschlicher Entwicklung

 

In der Christengemeinschaft gibt es sieben Sakramente, die die menschliche Entwicklung begleiten:

 

In der Taufe wird die beginnende Beziehung zur Erde bereichert um eine neue, freie Beziehung zum Himmel.

 

In der Konfirmation wird beim Durchgang durch die Pubertät der seelische Innenraum des Jugendlichen gestärkt.

 

In der Menschenweihehandlung kann die Gemeinschaft innerlich so tätig werden, dass Christus selbst gegenwärtig wird und die Substanz der Erde in Form von Brot und Wein verwandelt.

 

Im Sakramentele Gespräch (der Beichte) wird ein Weg eröffnet, sich selbst und das eigene Schicksal bejahen zu lernen.

 

In der Heiligen Ölung wird dem sterbenden Menschen eine Kraft vermittelt, die ihn durch den Tod hindurch begleiten kann.

 

In der Priesterweihe wird ein Mensch befähigt, Sakramente zu vollziehen.

 

In der Trauung bejahen Mann und Frau ihre Beziehung zueinander und zum Himmel.

 

Außerdem gibt es als kultische Feiern die Bestattung, und ab dem Schulbeginn die Sonntagshandlung für die Kinder.
 

 

Das Evangelium

 

Einen besonderen Stellen­wert hat das Evangelium. Neben den Ritualen ist es die zentrale Quelle für das Leben der Christengemeinschaft. Dabei ist es ein Anliegen, den Inhalt nicht nur theoretisch zu verstehen, sondern zu dieser „Engel-Botschaft“ (griechisch: „Eu-Angelion“) eine lebendige Beziehung aufzubauen.
 

 

Seelsorge

 

Auch ganz persönliche Fragen können mit einem Pfarrer besprochen werden. Jede denkbare menschliche Angelegenheit hat eine geistige Dimension, eine Innenseite. Gerade wenn man mit äußeren Methoden in einer
Frage nicht weiter kommt, kann es sinnvoll sein, dieser Innenseite nachzugehen. Auf diese Weise kann man zum eigenen Schicksal ein eigenständiges, kreatives Verhältnis entwickeln und dadurch im Leben handlungsfähiger werden. Durch ein sakramentales Gespräch (die Beichte) kann dieser Vorgang noch vertieft werden.
 

 

Mitgliedschaft

 

Die Teilnahme am Leben der Christengemeinschaft steht jedem offen, unabhängig von einer Mitgliedschaft. Wer durch einen Priester als Mitglied aufgenommen werden möchte, bekundet damit die Bereitschaft sich für das Dasein der Christengemeinschaft in allen Bereichen einzusetzen. Mitgliedschaft ist also kein formaler Akt, sondern entsteht durch das Leben mit den Sakramenten und das bewusste Bekenntnis dazu.

 

Mit der Taufe wird ein Kind nicht Mitglied. Es wird von der Gemeinde empfangen und kann sich als Erwachsener frei entscheiden, ob es Mitglied werden möchte.
 

 

Hierarchie

 

Die göttlichen Wesen, wie sie in der Bibel genannt werden (Engel, Erzengel u.s.w.), stehen in einer „Hierarchie“ (griechisch: „heilige Ordnung“) zueinander. Dadurch können sie geistig zusammenwirken. Eine Gemeinschaft, die aus den Kräften dieser göttlichen Welt arbeiten will, braucht auch eine Ordnung, damit im Zusammenwirken eine Hülle entstehen kann, in der die Sakramente vollzogen werden können.

 

Innerhalb dieser Ordnung trägt jeder Priester Bewusstsein und Verantwortung für seine Gemeinde vor Ort, einige Priester jeweils für mehrere Gemeinden (die „Lenker“), wenige für die gesamte Christengemeinschaft (drei „Oberlenker“, von denen einer der „Erzoberlenker“ ist). Mit der Übernahme solcher Ämter wächst die Verantwortung, nicht aber das Ansehen, die Macht oder der wirtschaftliche Status eines Priesters.

 

Alle Priester sprechen den Lenkern und Oberlenkern die Aufgabe zu, sie an einen Arbeitsort zu entsenden. Dadurch kann vor den Menschen und der göttlichen Welt gewährleistet werden, dass in allen Gemeinden die Sakramente kontinuierlich gefeiert werden können.

 

Priesterinnen und Priester empfangen ihre Weihe stehend. Sie sollen sich nicht einer Institution unterordnen, sondern sich aus eigener, wacher Verantwortung in ihre Aufgabe stellen. Selbstverständlich dürfen sie heiraten.
 

 

Ausbildung

 

Von Anfang an hat die Christengemeinschaft ihre eigene Priesterausbildung aufgebaut. Sie umfasst ein breites Spektrum an theologischen, künstlerischen, naturwissenschaftlichen, philosophischen, geisteswissenschaftlichen und menschenkundlichen Kursen und Praktika. Weltweit kann man an drei Seminaren studieren: in Hamburg, Stuttgart und in Toronto/Kanada. Außerdem gibt es in vielen Ländern Proseminare.
 

 

Finanzen

 

Die Christengemeinschaft trägt sich ausschließlich durch freiwillige Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder und Freunde. Sie verzichtet bewusst auf ihr Recht in Deutschland, Kirchensteuern über den Staat zu erheben. Es gibt Mitglieder, die finanziell nur weniges beitragen können, während andere durch größere Spenden helfen, das Ganze zu ermöglichen. Der Beitrag richtet sich nach dem eigenem Ermessen und der Einsicht in die Notwendigkeiten.