»Und sie kamen eilends ...«

AutorIn: Friedrich Schmidt-Hieber

In der Adventszeit – das erleben wir jedes Jahr neu – haben wir es in besonderem Maße mit der Unruhe in unserem Wesen, mit einem Hasten, ja Sich-gehetzt-Fühlen zu tun. Und wir sagen es uns selber und sagen es uns gegenseitig: Tu langsam, entschleunige, versuche, zu Ruhe und Besinnung zu kommen!
Nun ist aber der Gegensatz zu Hast und Stress nicht unbedingt die bequeme Ruhe. Vielmehr liegt ein großer Wert, ja etwas unbedingt Notwendiges darin, wichtige Dinge ohne Säumen, zügig, mit einer gewissen Schnelligkeit anzugehen und durchzuführen.
Auf religiösem Felde können uns da die Hirten ein Vorbild sein. Nachdem ihnen durch die Engel die Geburt des Heilands verkündigt war, gab es für sie kein Säumen, kein Verweilen mehr: Die freudige Erregung in ihren Seelen war so mächtig, dass sie sich unverzüglich auf den Weg nach Bethlehem machten, und das nicht gemächlichen Schrittes, sondern: sie eilten! Das Staunen über das verheißene Wunder, die freudige Erwartung waren so groß, dass alle Müdigkeit und Schwere der Nachtwachenden wie weggeblasen waren – »und sie kamen eilends«.
Von diesem Eilen aus der inneren Begeisterung heraus erzählt uns das Evangelium immer wieder. Da ist der Oberzöllner Zachäus in Jericho. Als Jesus durch die Stadt ging, bemühte er sich, ihn zu sehen, konnte es aber, da er klein war, wegen der vielen Leute nicht. »So lief er ihm voraus und stieg da, wo er vorbeikommen musste, auf einen Maulbeerbaum ... Als Jesus an die Stelle kam, blickte er nach oben und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herab; denn in deinem Hause muss ich heute einkehren. Eilig stieg er herab und nahm ihn mit Freuden auf« (Lk 19,4-6).
Oder Paulus: Ihm ist, auf seiner dritten Missionsreise, wichtig, den Pfingsttag mit den Brüdern und Schwestern in Jerusalem zu feiern, und so eilt er dorthin (Apg 20,16).
Von der letzten Stelle im Evangelium, in der vom Eilen hin zu Christus die Rede ist, lässt sich ein Bogen zurück zur ersten spannen. Am Anfang, sind es die Hirten, die zu dem Kindlein eilen. Am Schluss sind wir alle aufgerufen, dem Wiederkommenden entgegenzueilen: »Wenn das alles soll so zergehen, wie müsst ihr da geschickt sein in heiligem Wandel und gottesfürchtigem Tun, die ihr wartet und eilet zu der Ankunft des Tages Gottes, an welchem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden« (2 Petr 3,11-12, Lutherübers.). Das griechische Wort für »eilen« kann auch »ersehnen« bedeuten und wird von manchen Übersetzern auch so wiedergegeben. Ersehnen ist ja wie ein innerliches Vorauseilen.
Gegen das Hineingerissenwerden in Hast und Hektik bemühen wir uns, zu Ruhe und Besinnlichkeit zu gelangen. Dieses Bemühen wird im Hebräerbrief (4,11) mit demselben griechischen Wort wiedergegeben, das uns jetzt als »eilen« begleitet hat, nun mit der Bedeutungsnuance: sich beeilen, eifrig, emsig bemüht sein. So ergibt sich das Paradoxon: Wir mögen uns beeilen, zur Ruhe zu gelangen! Mit diesem eifrigen Streben nach innerer Ruhe vollziehen wir den ersten Schritt, dem wiederkommenden Christus entgegenzueilen.