Zeit für Rücksicht

AutorIn: Laurien van der Laan de Vries

Nur noch schnell ein paar Zentimeter rückwärts fahren, um den Linienbus zu wenden und mein falsches Abbiegen zu korrigieren ... Ein scharfer Schall knallt mir im Ohr und das Heckfenster ist zersplittert. Die Folge ist ein bedauerlicher Schaden und ein großer Schreck. Wie oft ist es mir gesagt worden: »Nicht mit dem 12 Meter langen Bus auf der Straße wenden, sondern im Notfall weiterfahren bis zum nächsten Kreisverkehr«.

Ein Kollege bringt mir einen neuen Bus, so dass ich meine Tour fortsetzen kann und die Störung im Fahrplan abgeschwächt wird. Er hat mir eindringlich und mit Empathie ans Herz gelegt, das Geschehene hinter mir zu lassen. Er kennt sich auch mit solchen Zwischenfällen aus. Dienstbarkeit braucht Freigebigkeit, Vergebung von den Kollegen, von einem selber, um weiterzumachen.

Oft habe ich mich gefragt, warum im Vaterunser so ein Gewicht auf die Schuld gelegt wird (statt dass wir zum Beispiel um Toleranz, Takt oder Weisheit beten) und jeden Tag wieder um Vergebung gefragt werden muss.

In Vergebung und Erlösung zeigen sich (wie auch in der Bitte um das alltägliche Brot, aber das führt uns in eine andere Richtung) die höchsten Werte, die uns geschenkt werden können. Wozu? Um weiterzumachen, wenn alles ziemlich zersplittert ist. Nach der Schärfe, die uns auf schmerzhafte Weise wach und lernfähig macht, wird es Zeit, Milde walten zu lassen. Zeit, um die Härte zu schmelzen, umzuformen, uns ein neues Fenster zu geben, durch das wir Rücksicht üben können.