Hans im Glück

AutorIn: Jürgen Raßbach

Wie oft habe ich, zusammen mit unseren Kindern, seine ungewöhnlichen Tauschgeschäfte bewundert, die ihn Schritt für Schritt der Freiheit näherbringen. Was viele für Torheit halten, über die man letztlich nur bedauernd den Kopf schütteln kann, war für mich immer schon vorbildhafte Lebenskunst.

Bin ich selbst so etwas wie ein Hans im Glück, cum grano salis, versteht sich? Darf man sich überhaupt so »literarisieren«? Literarisch allerdings kann man schon einige Passagen meines nun schon ein Dreivierteljahrhundert währenden Lebens nennen. Da gibt es tragische und komische, oft auch atemberaubend gemischte Begebenheiten zuhauf, aus denen ich letztlich immer wieder auf erstaunliche Weise unverletzt, ja heil herausgekommen bin, was meine liebe Schwägerin mal zu der mir unvergessen gebliebenen Bemerkung veranlasste: »Der rappelt sich immer wieder hoch.«

Wie z.B. aus dem 1982 über mich verhängten fatalen und meine Familie bedrohenden Berufsverbot letztlich doch Glückhaftes entstehen konnte, habe ich oft genug (auch in dieser Zeitschrift) beschrieben. Ich will auf eine ganz andere Seite des Hans im Glück in mir zu sprechen kommen, die ich meine Unfähigkeit nennen möchte, es im »bürgerlichen« Sinne zu etwas zu bringen, zu einem »Karrieresprung« etwa, wie man das so gern nennt. Darf ich mit einer gewissen Zuspitzung sagen, dass mir Mangel (wenn er nicht zu Not wird) immer lieber war als Überfluss, weshalb mir diese Seite der verschwundenen DDR stets näher stand als die auf irrsinnige Weise überfüllten Regale der Supermärkte? Meine ersten Westbesuche (1988/89) haben mir in dieser Hinsicht regelrecht wehgetan.

Eine der liebsten Kindheitserinnerungen ist mir deshalb auch eine sich regelmäßig wiederholende abendliche Szene, in der aus heutiger Sicht erbärmlichen Küche meiner Großeltern mütterlicherseits, in einem hüttenähnlichen Gehäuse, das sich der Großvater aus den Überresten des stattlichen Mietshauses gebaut, nachdem ein Volltreffer der Airforce es in Schutt und Asche gelegt hatte. Es ging schlicht um Pellkartoffeln, die die Großmutter, eine liebevolle kleine Frau aus Böhmen, auf das blank gescheuerte Tischlein kippte, dazu gab es Salz, einen Hauch Butter und etwas braune Zwiebeln, Wurst wäre Luxus gewesen. Das war das reine Glück, mit welch tiefer (ich zögere nicht sie religiös zu nennen) Dankbarkeit und Freude wir diese spartanische Speise genossen! Man mag das idyllische Verklärung nennen. Für mich war es eine Glückserfahrung, denn ich hatte damals den frühen Tod meiner krebskranken Mutter zu verkraften und fand auf diese Weise durch liebe Menschen Halt und Zuversicht.

Vielleicht (ich sage das mit einem gewissen Zögern) war es mein Engel, der mich immer wieder durch alle Fährnisse leitete und mir die Begegnung mit wunderbaren Menschen schenkte, so dass ich mich mit einem gewissen Recht einen (wenn auch bisweilen schwermütigen) Hans im Glück nennen darf.