Leben mit dem Evangelium | Vom Sinn der Einsamkeit

AutorIn: Johannes Beurle

Aber siehe: es kommt die Zeit und sie ist schon jetzt, dass ihr, jeder von euch, in die Vereinzelung fallen werdet und so auch mich dem Einzelsein überlasst. (Joh 16,32)

 

Der Weg der Menschwerdung ist auch ein Weg in die Vereinzelung. Jede Geburt heißt zunächst Trennung. Von Gott, von der Mutter, von der Familie – so finden wir langsam zu uns selbst. Am Ende schreiten wir allein durch die Pforte des Todes.

Mit aller Gewalt werden heute soziale Strukturen aufgebrochen, Einsamkeitserlebnisse durch Abstandsregeln und Versammlungsverbote erzwungen. Hilft uns auf diese Weise das Schicksal, nötige Schritte auf unserem Entwicklungsweg zu gehen?

Die Einsamkeit ist Teil des göttlichen Plans, doch dürfen wir niemals denken, sie wäre das Ziel. Wie der Karfreitag notwendige Voraussetzung für das Osterfest war, erfüllt sich der Sinn der Einsamkeit allein in ihrer Überwindung. In unendlicher Weisheit waltet die göttliche Führung in unserem Schicksal. Letztendlich werden wir durch dieses Leid wachsen. »Es muss zwar Ärgernisse geben; doch wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt!« (Mt 18,7)

Heil geht nur aus der Überwindung der Vereinzelung hervor, wie es unser Credo in den beiden letzten Sätzen beschreibt. Gemeinschaft ist ein heiliges Grundbedürfnis, ein christliches Ziel und Voraussetzung für eine Neugeburt von oben her.