Leben mit dem Evangelium | (Selbst-) Gerechtigkeit und Liebe

AutorIn: Johannes Beurle

 

Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt,
die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.
(Mt 20,12)

 

Warum ertragen die Arbeiter im Weinberg es nicht, dass die Später-Gekommenen denselben Lohn erhalten wie sie? Warum ist es ungerecht, dass auch die einen Denar bekommen, die nur eine Stunde gearbeitet haben? Warum fühlen wir uns besser, wenn nur das Leistungsprinzip gilt? Warum fühlen wir uns ungerecht behandelt, wenn andere dieselben Grundrechte erhalten, auch wenn sie nicht dasselbe getan haben? Neid und Missgunst verstecken sich allzu gerne unter dem Mantel der Gerechtigkeit. Luzifer ist ein Meister der Täuschung. Haben wir nicht alle dasselbe Recht auf Würde, Freiheit und körperliche Unversehrtheit? Gehört nicht sogar ein Einkommen dazu, da ich sonst die anderen Rechte kaum wahrnehmen kann?

Oft vermischen wir Solidarität und Neid. Aus Solidarität kann ich mich für die Rechte eines anderen einsetzen. Sobald ich Solidarität von anderen fordere, treibt mich aber der Neid und zerfrisst unbemerkt die moralischen Früchte, die ich durch meine solidarische Tat eingebracht hatte. – Wie sähe unsere Welt aus, wenn nicht jeder seine Interessen gegen andere durchsetzen müsste, sondern Menschen für die Rechte und Bedürfnisse anderer eintreten würden? Wir würden beginnen, unseren christlichen Auftrag zu erfüllen: Diesen Auftrag gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebet (Joh 15,17).