Leben mit dem Evangelium | Hosianna und kreuzige ihn
Und die Menge, die vorausging und die folgte, rief laut: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! (Mt 21,9)
Begeistert wird der Einzug Jesu in Jerusalem gefeiert. Am Palmsonntag erfüllt sich eine uralte Verheißung. Am Freitag wird dieselbe Menge lauthals die Kreuzigung fordern. Wie kann in so kurzer Zeit ein derart tödlicher Hass entstehen?
Das jüdische Volk wird schon lange von Rom bedrängt. Wer, wenn nicht der Messias, kann das Volk befreien und das Land den Klauen des römischen Adlers entreißen? Doch was geschieht? Ein Feigenbaum verdorrt, die Händler und Geldwechsler werden aus dem Tempel vertrieben, den religiösen Führern wird der Spiegel vorgehalten. Die Erwartungen, dass der Messias nun alle Probleme lösen wird, werden enttäuscht. Das tut weh. Was ansteht, ist Selbsterkenntnis, statt äußerer Feindbilder; selbst das Gute zu tun, anstatt es von anderen zu fordern, sich selbst zu verändern, anstatt den Feind anzuklagen. Die anfängliche Verehrung schlägt in Hass um. Die Führer des Volkes hetzen die Menge auf. Der, der es wagt, uns den Spiegel vorzuhalten, muss sterben. – Hätten wir den Mut hineinzuschauen, dann würden wir in dem Spiegel vielleicht auch Ihn sehen. Anstatt ihn zu vernichten, könnten wir Anteil an seiner Verwandlungskraft haben und am Frieden mitarbeiten.
Johannes Beurle, geboren 1979, Priester, Karlsruhe