Unsere Gemeinden in der Ukraine und in Russland
Innerhalb des letzten Jahres war ich zweimal in der Ukraine und in Russland, um dort meinen Kolleg:innen in den Gemeinden auszuhelfen. Es ist mir ein Anliegen, dass wir unsere Verwandten im Geiste, die auch in den Krisengebieten unermüdlich ihre Arbeit verrichten und täglich darum kämpfen, ihre Zuversicht zu halten oder wiederzuerlangen, besonders im Bewusstsein tragen.
Odessa
Die Christengemeinschaft in Odessa liegt am Stadtrand nahe des Schwarzen Meeres, in einem wunderbaren Gebäude, das vor vielen Jahren gebaut wurde. Sie wird von dem Pfarrer Andrej Ziltsov betreut.
Samstags wird die Totenweihehandlung gehalten
Dreimal pro Woche wird öffentlich der Gottesdienst gefeiert. Samstags hält die Gemeinde für gefallene Ukrainer und Russen die Totenweihehandlung. Bis zu zwölf Verstorbene werden jeweils namentlich genannt.
Als ich die Gemeinde Anfang des Jahres besuchte, wurde als erstes die Sonntagshandlung für die Kinder gefeiert. Das geschieht selten und es war ein großes Fest. Dann folgte die Menschenweihehandlung, während der man in der Ferne Sirenen und Explosionen hörte.
Später habe ich mich mit den Menschen unterhalten.
Ich war beeindruckt, dass sie ihr Leben trotz des Krieges so lebendig und lebensgemäß gestalten, wie sie nur können. Es wurde aber auch deutlich, wie dünn die Haut bei vielen ist, dass sich die Seele deshalb ganz um die wesentlichen Fragen des Menschseins dreht und sehr offen ist.
Moskau und St. Petersburg
In Moskau befindet sich die Christengemeinschaft im Gebäude der Weleda, ein sehr schön gestalteter Weiheraum, in dem die kleine Gemeinde mit ihrer Pfarrerin Annuschka Geyer regelmäßig den Gottesdienst feiert.
In St. Petersburg liegt die Kirche am Stadtrand – bis vor kurzem war der Ort noch ein eigenes Dorf. Die Gemeinde hat hier vor einigen Jahren ein wunderschönes kleines Gebäude aus Holz gebaut. Anfang Mai wurde das Haus geweiht. Dazu fand eine kleine Tagung statt, bei der ich anwesend sein durfte.
Ich habe bei den Menschen in den Gemeinden eine tiefe Betroffenheit über das wahrgenommen, was derzeit außenpolitisch geschieht. Sie senden einander gute Gedanken zu und beten dafür, dass der Krieg bald enden möge. Mehrmals pro Woche besinnen sie sich durch die Menschenweihehandlung auf unsere Menschheit, die doch so viel größer ist als eine Nation.
Auch wenn es die Verhältnisse teils nur auf geistiger Ebene und im Gebet zulassen: Die Weihe des Menschentums ermöglicht uns, einander in Würde zu begegnen

Verfasst von Laurens Hornemann
geb. 1982, Pfarrer in Dortmund