Unsterblich, unverletzlich, vollkommen?

Regenbogen, vollkommen und verletzlich
Regenbogen, vollkommen und verletzlich

Unsterblich, unverletzlich, vollkommen?

In Wochen und Tagen wie den gegenwärtigen mag die Idee der Unsterblichkeit, die Sehnsucht nach Unverletzlichkeit, der Wunsch nach Vollkommenheit in uns stärker werden. Tägliche Berichte von notleidenden Menschen, von Kindern, Müttern und Vätern, deren Leben durch Krieg bedroht, deren seelische Gesundheit durch kaum fassbare Ängste, deren Zukunftshoffnung durch Vertreibung und Flucht gefährdet sind, nähren die Hoffnung auf eine umfassende Besserung – besonders für die Schwächsten und Empfindlichsten unter uns. Ohnmächtig und fassungslos stehen wir vor der Unmöglichkeit, den Bedrängten wirksame Hilfe geben zu können – sind wir doch selbst hilflos gegenüber der menschengemachten Bedrohung der Menschlichkeit.

An einem der vergangenen Sonntage wurde in unserer Gemeinde das Evangelium der Versuchung Christi gelesen. Der allmächtige Gott, der sich in der Jordantaufe in einmaliger und vollständiger Weise des Menschen angenommen hat, wird vom Widersacher daraufhin auf die Probe gestellt, ob er nicht bei seiner Unsterblichkeit, bei seiner Unverletzlichkeit und bei seiner Vollkommenheit bleiben möchte. Jesus antwortet dem Teufel aus der Ohnmacht eines jüdischen Kindes, das nicht mehr als den Unterricht in der Schrift aufzubieten hat. Da ist dann von der Speise aus dem Mund Gottes die Rede, die mehr kann als unseren sterblichen Leib erhalten, aber dennoch dieser Sterblichkeit verbunden bleibt. Er spricht von der Annahme menschlicher Verletzlichkeit, von der bescheidenen Verantwortung gegenüber der möglichen Heilung aus göttlicher Kraft, die wir aber nicht selbst bewirken können. Und schließlich erkennt der Versuchte, wer ihm da das Geschenk vollkommener Herrschaft über die Welt anbieten will, und er weist ihn und damit auch mögliche übermenschliche Größe zurück.

In der Passionszeit feiern wir, dass Christus uns zum Bruder in unserer Schwäche werden will. Er bleibt nicht in der erhabenen Unerreichbarkeit göttlicher Größe, sondern steigt hinab in den Leib, der ihn Spott, Schmerz und schließlich den Tod erfahren lassen wird. Er sagt damit „Ja“ zu allem, was unsere Ohnmacht ausmacht – zu Sterblichkeit, zu Verletzlichkeit, zu Unvollkommenheit – und durch dieses „Ja“ geht sein Leidensweg hindurch, geht weiter bis ans Ende des Leids, bis ans Ende des Todes. Was wird uns darin verheißen? Nicht weniger als dies: Dass wir in unsere Sterblichkeit ewiges Leben aufnehmen werden, dass wir durch unsere Verletzlichkeit das Heil erfahren können, dass uns mitten in der Unvollkommenheit die vollkommene Gegenwart Gottes geschenkt werden kann. In solcher Zukunftshoffnung spricht nicht die Stimme der Versuchung, sondern das Wort, das Glauben erwecken kann.

Ulrich Meier, 15.03.2022

 

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