Seit Beginn 2025 gibt es in Hamburg ein Forum für Pilgern, Begegnung und Seelsorge: Die PilgerBrücke. Hier ein Einblick in diese Initiative.
In dem Maße, wie sich die Kirchen leeren, füllen sich die Pilgerwege. Zumindest gilt das für den Camino in Spanien. Die wenigsten Menschen aber machen sich heute aus religiösen Motiven heraus auf den Weg. Fragen, Krisen, Unzufriedenheit, Zweifel, Sehnsucht – oft nur geahnt und kaum verbalisierbar – sind innere Beweggründe, die den Aufbruch provozieren.
Der Sehnsucht begegnen
Auf diese verbreitete Sehnsucht nach Veränderung und Neubeginn versuchen Kirchen und Religionsgemeinschaften auf unterschiedlichste Weise zu reagieren. Neue Formen der Begegnung, der Kommunikation, der Teilhabe werden probiert – mit mehr oder weniger großem Erfolg und natürlich nicht immer für jeden Geschmack, wie auch? Und doch: Das Anliegen ist unserem nicht so fern: Das Christentum ist ihnen wichtig in der Welt.
Auch ich habe beschlossen, mal etwas anderes auszuprobieren, ebenfalls ohne den Anspruch, dass es besser sei als das Übliche. Ich will etwas wagen, das mich herausfordert, das Gewohnte und Bewährte hinter mir zu lassen und alle damit verbundenen Risiken in Kauf zu nehmen. Aufbrechen und Unterwegssein fand ich immer schon reizvoll: 1993 bereits habe ich meine erste fünfwöchige Pilgerwanderung alleine zu Fuß unternommen und seitdem lässt mich das Thema Pilgern nicht mehr los. Inzwischen habe ich eine Fortbildung zur Pilgerbegleiterin gemacht.
Gründung der Pilgerbrücke
Zu Beginn des Jahres habe ich nun die PilgerBrücke gegründet. Rechtlich ist sie eine Einrichtung der Christengemeinschaft in Norddeutschland, KdöR. Personell gesprochen wird sie von mir, Eva Scheffler, Pfarrerin der Christengemeinschaft, geleitet.
Warum eine solche Neugründung? Gibt es in den Gemeinden nicht mehr als genug zu tun für uns? – Ja, für viele mag das zutreffen. Das kann uns aber nicht hinwegtäuschen über die Tatsache, dass wir in vermutlich allen Gemeinden schmerzlich einen Rückgang der Mitgliederzahlen und der Kirchenbesuche verzeichnen müssen.
Damit stehen wir nicht allein da: Alle anderen Kirchen um uns her haben ähnliche Probleme. Woran liegt das? Diese Frage beschäftigt alle, denen christliche Religionsausübung ein Anliegen ist. So auch mich. Hier will ich mich auf diejenigen Aspekte beschränken, die verständlich machen, warum ich das „Pilgern“ anbiete.
Pilgern kommt von lat. „peregrinare“, was mit „in der Fremde sein“, „umherschweifen“ übersetzt werden kann. Darin steckt „per agrum“ „der von jenseits des Ackers“. Ein Pilger ist also einer, der den heimischen Acker verlässt und in die Fremde zieht. Für uns heißt das heute „reisen“ und ist nichts Besonderes mehr. Wenn wir es aber umdeuten, könnte es ungemütlich werden: „Unsere Komfortzone verlassen“.
Ja, ich bin der Meinung, dass auch wir als Christengemeinschaft uns aufgerufen fühlen sollten, unsere Komfortzone da und dort zu verlassen.
Warum?
Wenn wir mit jüngeren Menschen ins Gespräch kommen, merken wir, dass die religiösen Traditionen nur wenig Antwort zu geben vermögen auf das, was sie innerlich bewegt. Auch wir haben da nur selten etwas wirklich Attraktives anzubieten. Wir hören aber nicht richtig hin, wenn wir daraus den Schluss ziehen, dass es keine Fragen und kein Interesse an religiösen und spirituellen Fragen gibt. Im Religionskurs mit Studierenden der Sozialpädagogik erlebe ich eine erfrischende Offenheit und eine erstaunliche Tiefgründigkeit im Gespräch über religiöse und spirituelle Themen. Sind unsere Antworten für viele Menschen heute nicht vielleicht doch auch oft zu „fertig“, zu „belehrend“, zu wenig „hörend“? Wenn in dieser Frage eine gewisse Kritik anklingen mag, ist sie nur insofern berechtigt, als ich mich selbst damit ebenfalls infrage stelle.
Was unternehmen wir nun in der PilgerBrücke? Wir versuchen z.B. wahrzunehmen, was andere Kirchen zurzeit tun. Wir gehen in ihre Gottesdienste, versuchen ihre Traditionen, ihre Theologie, ihre alten und neuen Ideen zu verstehen und wertzuschätzen. Wenn möglich, suchen wir dort Begegnungen und Gespräche. (Ich gehöre übrigens auch dem Pilgerbegleiter-Team des Pilgerzentrums im Norden der evangelischen Jacobi-Kirche in Hamburg an.) Außerdem machen wir Pilgertouren unterschiedlicher Länge mit unterschiedlichsten Themen. Das können kurze Spaziergänge durch den Stadtpark, den japanischen Zen-Garten, oder längere Wanderungen durch die Stadt oder durchs Grüne sein. Jahreszeiten, Festeszeiten, Gedenktage (80 Jahre Befreiung Neuengamme, internationaler Frauentag, Kriegsende…) nehmen wir zum Anlass, oder aber Themen wie Frieden oder Motive aus den Evangelien. Zu und mit diesen Themen machen wir uns dann auf den Weg, lassen uns anregen von dem, was es unterwegs anzuschauen gibt, und versuchen, innerlich Gedanken und Empfindungen dazu zu bewegen.
Impulse, Beobachtungen, Schweigezeiten, Gespräche, Gedichte, Lieder, Gebete etc. bereite ich vor. Jeder Pilgertag ist für mich aber eine Überraschung. Ich habe ein Anliegen, versuche die Bedingungen herzustellen, dass ein bestimmtes Motiv präsent werden kann. Was aber daraus wird, hängt davon ab, wer mitkommt und auf welche Weise wir uns auf das Thema und auf uns gegenseitig einlassen. Es gibt zwar äußerlich ein Ankommen, aber es gibt kein fest vorgegebenes inneres Ziel.
Raum für Neues
Ich bin der Ansicht, dass Religiosität zwar eine intime seelische Angelegenheit ist, die aber das menschliche Miteinander braucht, um sich zu realisieren. Daher kann ich nur Anregungen geben, und was geschieht und erlebt wird, hängt von etwas anderem, Überrationalem ab. Ich will kein Wissen vermitteln, denn ich verstehe meine priesterliche Aufgabe nicht als einen Lehrauftrag, sondern eher als den Auftrag, religiöse Erfahrungen zu ermöglichen. Manchmal treffen wir uns auch für Gesprächsrunden, oder um ein Fest zusammen zu feiern. Dabei erproben wir gemeinsam gestaltete Andachten, ohne die bei uns sonst übliche kultische Form.
Wer die Christengemeinschaft so sucht, wie sie bisher immer war und damit zufrieden ist, wird das in den Gemeinden weiterhin finden. Es gibt aber Menschen, die sich von dem, was wir in der PilgerBrücke tun, angesprochen und berührt fühlen.
Wer einfach mal bei uns reinschnuppern möchte, ist ganz herzlich eingeladen. Es braucht keine Vorkenntnisse, keine Verbindlichkeit, sondern nur Neugierde und Offenheit. Jede und jeder ist bei uns willkommen!

Verfasst von Eva Scheffler
Geb. 1967, Pfarrerin in Hamburg



