Eines der bedeutendsten und schönsten Feste liegt seinem Namen und seiner Herkunft nach in der Nacht. Hängt das vielleicht auch damit zusammen, dass mit ihm, dem Weihnachtsfest, von vornherein ein Geheimnis verbunden ist?
Heutzutage gibt es viele Menschen, unter ihnen auch Kinder, die nicht mehr wissen, warum wir es feiern und welches sein wahrer Hintergrund ist. Verbunden werden mit diesen Tagen lediglich der Austausch von Geschenken, Familienbesuche und besondere Sitten und Gebräuche. Sogar Menschen aus fernen Gegenden und Ländern ohne eine christlich-religiöse Herkunft, feiern hierzulande gerne Weihnachten. Es hat eine Anmut, die mit dem im Dunkel neu aufgehenden Licht und seiner Hoffnung darin einhergeht.
Zu Weihnachten, in der Heiligen Nacht, ist ein Kind geboren, in dem später Gott auf der Erde Mensch werden soll.
Das ist der Zauber dieses Ereignisses in seiner Einzigartigkeit. Dass an diesem Geheimnis die ganze Welt und Menschheit teilnehmen soll, dämmert allmählich, von unserer Zeit an, geistig auf als Ahnung, als Aufgabe und als Gnade.
Der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa hat einen sehr hilfreichen Begriff ins Gespräch gebracht, der Licht in die Gegenwart und in manche Hoffnungslosigkeit darin bringen kann, eine Art „Weihnachtsbegriff“. Er heißt: das „Unverfügbare“ und bedeutet, dass es immer wieder in unserem Leben Dinge und Vorgänge geben wird, die niemand vorausschauen, planen, berechnen oder kaufen kann. Keine Statistik kann das Glück vorhersehen oder eine tief im Herzen plötzlich auftretende Freude!
Hierin liegt aber auch die Problematik unserer „bürgerlichen“ Feste, die darin besteht, dass immer wieder, trotz aller Vorbereitung und sehnlichsten Erwartungen gerade das nicht eintritt: Friede und Harmonie zwischen den Menschen oder Erfüllung unserer geheimsten Wünsche an einem solchen Fest. Dazu bedarf es nämlich einer tieferen Schicht als der, welche sich durch die beliebten Gewohnheiten und Sinneseindrücke – wie Klänge, Düfte, Gemütlichkeit oder Stimmungen bei Kerzenschein – einstellt. Auch der gemeinsame Gang zur Kirche gehört häufig zu den „beliebten Gewohnheiten“.
Diese Schicht wird dann berührt, wenn die Sehnsucht aus dem Dunkel der eigenen Seele erwacht, dass ich teilnehmen kann an der Erfahrung der Christgeburt in mir selbst zwischen dem „guten Willen“ und der Unverfügbarkeit einer wie ein Zauber wirkenden Gnade.

Verfasst von Mechtild Oltmann-Wendenburg, Pfarrerin
Pfarrerin in Berlin Wilmersdorf



