Die Kasseler Gemeinde wurde nach gründlicher Vorbereitung in der Adventszeit 1922 mit dem Priester Richard Gitzke gegründet — nur ein Vierteljahr nach der Gründung der Christengemeinschaft (am 16. September 1922 in Dornach). Gitzke hatte bereits seit Ostern 1922 in Kassel gelebt und gearbeitet. Am 14.11. wurde als erstes der 7 erneuerten Sakramente in Kassel eine Trauung gehalten. Die erste Menschenweihehandlung wurde in der Wohnung von Familie Schuster im Eckpavillon der Orangerie (am Marmorbad) gefeiert. Der dafür vorgesehene Raum war entsprechend hergerichtet worden und stand für die ersten Jahre zur Verfügung.
Vom 2. bis 8. Januar 1924 fand in der fürstlichen Reithalle die erste Jugendtagung der Christengemeinschaft statt mit dem Thema "Christentum und Kultur" - zeitlich direkt im Anschluss an die Weihnachtstagung in Dornach.
Richard Gitzke blieb bis 1925 in Kassel. Ihm folgten verschiedene Priester, die jeweils nur kurze Zeit in Kassel wirkten. Namentlich werden in dieser Kurz-Chronik außer dem Gründungspriester nur diejenigen genannt, die mindestens sieben Jahre in Kassel blieben.
1931 kam Claus von der Decken als Priester nach Kassel; er wirkte hier bis an sein Lebensende 1977. Während der Verbotszeit (1941 — 1945) trug er die Gemeinde innerlich weiter. Neben ihm arbeitete von 1934 an bis zum Verbot Alfred Schreiber, der später gemeinsam mit Hilmar von Hinüber die Kinder- und Jugendfreizeiten ins Leben rief.
An Räumen standen hauptsächlich zur Verfügung: von 1927 an der Marmorsaal der Alten Akademie an der Schönen Aussicht und von 1937 an ein Saal in der Kölnischen Straße 54 a, der einer Freimaurerloge gehört hatte, die von den Nationalsozialisten bereits verboten worden war. In diesem Saal fanden 1938 und 1940 die Gesamtsynoden der Christengemeinschaft statt. Auf der Synode von 1938 wurde Emil Bock zum Erzoberlenker berufen.
Nach Kriegsende konnte die Arbeit gleich wieder aufgenommen werden. Die Gottesdienste fanden zunächst wieder in Wohnungen von Gemeindemitgliedern statt, hauptsächlich bei Friebe/Salzmann im Rheinweg 3, später in Baracken und Schulräumen.
Zur Unterstützung von Claus von der Decken kam im Herbst 1945 Karl Schutz als zweiter Priester nach Kassel. Er blieb und wirkte hier ebenfalls bis an sein Lebensende (1973); er schrieb eigene Übersetzungen des Neuen Testaments.
Von 1949 an hatte die Gemeinde im Hinterhaus der Friedrich-Ebert-Straße 76 einen eigenen Gemeinderaum zur Verfügung. Im Lauf der Jahre wurde aber der Wunsch nach einem eigenen Kirchenbau immer stärker. Dieser ließ sich dann in der Hansteinstraße 12 auf einem Grundstück verwirklichen, das vom Ehepaar Kolbe zur Verfügung gestellt worden war. Dieser Kirchenraum, der bis heute genutzt wird, wurde im März 1962 eingeweiht. Architekt war der junge Klaus Rennert.
Bereits im Frühjahr 1952 war Jutta Fischer (später Vietor-Fischer) gleich nach ihrer Weihe als drittes Mitglied des Priesterkollegiums nach Kassel gekommen. Sie hat das Gemeindeleben in starkem Maße geprägt. 1976 wurde ihr zusätzlich die Lenkeraufgabe für die Region Hessen übertragen, und schließlich wirkte sie auch in der Leitung der Gesamtbewegung mit. Außerdem war sie regelmäßig Dozentin am Priesterseminar in Stuttgart. 1991 wurde sie in den Ruhestand verabschiedet.
1971 bis 1984 war Joachim Grebe Priester in Kassel, 1979 bis 1988 wirkte Michael Gerasch hier als Priester, 1979 bis 1997 begleitete Franz Pollmann als Priester die Gemeinde, 1985 bis 1992 arbeitete Christa Schunke als Priesterin mit.
Auch nach dem Krieg fanden wieder große Tagungen in Kassel statt: z.B. im August 1955, zu Pfingsten 1971 und 1983 jeweils in der Stadthalle. 1974 wurde die Orgel eingeweiht. Zum Kirchenbau kamen im Lauf der Zeit weitere Bauten hinzu: einerseits Ende 1967 das Albert-Kolbe-Heim und 1975 der Waldorfkindergarten in der Goetheanlage (beide Einrichtungen wurden rechtlich als Teile des "Sozialwerks" selbständig), andererseits 1988 der Gemeindesaal "Die Tenne".
Seit Herbst 1974 gibt es alljährlich zu Anfang November das "Kasseler Treffen", anfangs als ein Treffen der Finanz-Zuständigen aus Westdeutschland, später geöffnet für alle Interessierten aus Deutschland und dem Umkreis.
Seit Herbst 1982 gibt es in der Pfeifferstraße 4 "Die Fähre - eine Begegnungsstätte" - mit künstlerischen, handwerklichen, pädagogischen Angeboten und Gesprächsabenden. Mit dem Corona-Beginn 2020 endet das ausführliche Programm, es bleiben Einzelveranstaltungen für Kinder und Eltern übrig.
Stellvertretend für alle bisherigen Gemeindehelferinnen sei hier die langjährigste unter ihnen, Gisela Schake, genannt; nach drei Jahren ehrenamtlicher Mitarbeit war sie von 1985 bis 2010 hauptamtlich und mit ganzem Herzen Gemeindehelferin.
1995 bis 2005 wirkte Günter Kollert als Priester in Kassel, 1998 kamen Albrecht Schwenk und Ingeborg Schwenk-Asmuss als Priester nach Kassel; 2003 wurde Herrn Schwenk die Lenkeraufgabe für die Region Deutschland-Mitte übertragen; 2018 wurde das Ehepaar Schwenk-Asmuss aus Kassel in den Ruhestand verabschiedet. 2004 bis 2021 arbeitete Johannes Roth als Priester in Kassel; 2016 bis 2024 begleitete Helge Tietz die Gemeinde als Priester.
1994 und 1998 fanden zwei Michaelikongresse der Christengemeinschaft im neuen Anthroposophischen Zentrum (=AZ) statt: "Christus und die Gegenwart" sowie " Christus und das Böse"; 2001 gab es am gleichen Ort eine Pfingstagung der Christengemeinschaft "Christus im 21. Jahrhundert". Im Mai 2004 fand die weltweite Jugendtagung "Adamah" (in der Waldorfschule) statt. 2008 wurde der Kirchenraum aufgehellt und renoviert. Im Februar 2016 gab es eine große Tagung "Judas und ich" (in der Tenne).
Gegenwärtig (Stand September 2024) wirken als verantwortliche Priester in der Kasseler Gemeinde Hans-Bernd Neumann und Kirsten Thomassen.
Weiteres aus der Geschichte der Gemeinde kann in der 1992 verfassten Chronik der Gemeinde nachgelesen werden, die im Gemeindebüro erhältlich ist.
Verfasst von Rainer Vietor im Dezember 2007
Bearbeitet und erweitert von Thomas Demele im August 2024