Betrachtung 2025-04 (Johanni)
Am 21. Juni wird vielerorts die Sommersonnenwende mit einem großen Feuer gefeiert. Die Menschen singen, sind fröhlich, erfreuen sich der Wärme, der lichtvollen Zeit bis spät in den Abend hinein. Drei Tage später, am 24. Juni, feiern wir den Geburtstag Johannes’ des Täufers, und damit beginnt die Johanni-Festeszeit, die uns immer mehr in das Licht und in die Wärme des Sommers hinausführt; ein „halber Heiligabend“ an dem Weihnachten entgegengesetzten Pol des Jahreslaufs. Viele Menschen erleben diese Zeit als die schönste im Jahr. — Was vollzieht sich in dieser Zeit da draußen in der Natur, und was in uns selbst?
Die Natur zeigt uns überall ein Blühen und Reifen, und man kann den Eindruck haben, dass sie ihre ganze Schönheit, ihren farbigen Glanz nicht nur den Menschen, sondern zugleich dem Kosmos entgegenträgt. Das ist, im Äußeren, Johanni-Stimmung. Diese deutet auf das Wesen des Johannes selbst: Er selbst lebt und wirkt aus diesem Eingegliedert-Sein in den Kosmos. Aus dieser Haltung, aus dieser Vollmacht heraus tauft er Menschen, bringt sie dem Göttlichen näher. So werden sie in das Geheimnis ihres Zusammenhangs mit den Himmeln eingeweiht.
Unter den Menschen, die Johannes am Jordan, an der tiefsten Stelle der Erde, tauft, kommt auch Jesus zur Taufe, und Johannes erkennt: Ich habe die Menschen zum Göttlichen da draußen geführt, aber dieser ist es, der das Göttliche wieder geben wird den Menschen selbst, ja, der es im Innern erlebbar macht. Eine große Wende vollzieht sich hier, die Johannes den rätselhaften Satz aussprechen lässt: „Er muss wachsen; ich muss abnehmen.“
Was ist geschehen? Johannes erkennt sich selbst an seinem Gegenüber als jemanden, der weniger werden muss, und in seinem Gegenüber den, der wachsen muss. Nicht für sich selbst, sondern für ein Welt- und Menschheitsgeschehen erwacht er. Es ist ein Moment tief erlebter Wahrheit – dies führt ihn in das Leben in und mit dem göttlichen Willen hinein.
Kennen wir solche Momente?, so können wir uns fragen.
Immer dann, wenn wir uns betend in die Worte des Vaterunser: „Dein Wille geschehe“ einleben, kann uns deutlich werden, dass unsere Herzenssehnsucht im Leben darin besteht, mehr und mehr im Einklang mit dem göttlichen Willen und ganz aus diesem Einklang heraus in der Welt zu leben und zu wirken.
So wird Zurücknahme zu wirklicher Größe.
Bettina Wunder
– Pfarrerin –
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