Um diese Betrachtung – und frühere – als PDF herunterzuladen, scrollen Sie bitte nach unten!
Betrachtung 2025-11 – Vor allem Anfang
«In allem Anfang …», im „Ur-Beginne“, dem „Archē“, so beginnt Johannes die Vorrede zu seinem Evangelium. Über den Anfang alles Herkommens sinniert auch Faust und versucht vergeblich, statt des „Wortes“ erst „Sinn“, dann „Kraft“, schließlich „Tat“ als Welt-Anfang einzusetzen – es will ihm alles nicht schlüssig erscheinen. Auch Hermann Hesse («Stufen») prägt eine bekannte Gedichtzeile zum Thema „Anfang“: einem jeden wohne „ein Zauber inne“. „Es werde …“ hallt schon in der Genesis das Schöpferwort durch den noch unentwickelten Kosmos. Selbst die erfahrensten Hebammen erleben bei jeder Geburt neu, welches Wunder der Anfang einer vielleicht Jahrzehnte umspannenden Biographie ist. Was will, was wird da werden, welches Schicksal wird da vor dem Neugebor’nen liegen, welche Werke wird er der Welt einmal einprägen? An-Fangen – was will dieses Wort eigentlich ausdrücken?
Alle Initiative beginnt mit einer Frage: Junge Menschen, die gerade im Schulabschluss begriffen sind, stehen vor der Frage: „Und nun?“ Sie beginnen, sich auseinanderzusetzen damit, ob sie eine Lehre aufnehmen sollen, oder ob sie zum Studium nach London oder nach Paris gehen wollen. Begeisterung spricht aus ihren Überlegungen, hin und wieder auch Zagen. Was wird das Kommende sein?
Dann naht der Tag, an dem mit allem Bedenken Schluss sein muss. Denn jetzt muss der Entschluss gefasst werden. Mit dem Entschluss beginnt das Neue, noch Unbekannte, das Wagnis.
In ganz anderer Tragweite kann man ähnliches beobachten, wenn eine Gruppe von Menschen sich zusammenschließt, z. B. eine Schule zu gründen, eine Kirche zu bauen, eine Brücke zu errichten. Auch da steht am Anfang eine Frage: Was ist notwendig, sinnvoll, Zukunft schaffend; was wird gebraucht werden? Wer solche Entschlüsse vorbereitet, bildet mit anderen eine Schicksalsgemeinschaft. Es wird gerungen, geplant, kalkuliert, verhandelt, im Entschluss dann gefeiert. Denn jede Veränderung der Welt erfordert Verantwortung, ist Antwort auf die ursprüngliche Frage.
In jedem Anfang von Ideenbildung kann uns spätestens im Augenblick des Entschlusses deutlich werden, dass Christus selbst darin anwesend ist. Er ist das Alpha und das Omega – der Anfang und das Ende. Denn in ihm fallen Anfang und Ende zusammen: Jeder wirkliche Entschluss bedeutet das Ende eines Abwägens – ist ein Omega. Danach beginnt etwas Neues, ein Alpha – die Wandlung von Bestehendem durch die Kultur schaffende Tat. Als Einzelne hätten Romulus und Remus die Gründung der Stadt Rom nicht auf sich nehmen können. Die Tragweite hätte menschlichen Mut überstiegen. So ist es aber auch mit den Lebensentschlüssen eines jeden von uns: Sie können nur Wille werden, indem der Christus sie uns tragen hilft. Ja schon beim Entschluss zur Erde, dessen erste Folgen Eltern und Hebamme bestaunen werden, begleitet Christus unsere Seele. Hesses „Zauber“ ist vielleicht Metapher für das Wesen, das allem Anfang innewohnt.
In der Beziehung zu Christus wächst das Vertrauen in die Richtigkeit unserer Entschlüsse. Und in jeder besonnenen Tat dienen wir dem Verwandler, dem Christus:
Ihm, der das Leben der Welt trägt
und ordnet, wie er es vom Vater empfängt.
Und der es durch den Geist gesunden lässt.
Bettina Wunder
Zum Herunterladen