Die Entwicklung der mitteleuropäischen Kulturlandschaft

AutorIn: Martin Kühnert

Was wir in Mitteleuropa eine »schöne Landschaft« nennen, ist meistens nicht Natur im ursprünglichen Sinne, sondern das Ergebnis eines langen, sowohl natürlichen als auch vom Menschen gestalteten Entwicklungsprozesses. Es sind grobe, vereinfachende Striche, mit denen hier versucht werden soll, die Entwicklung der mitteleuropäischen Kulturlandschaft nachzuzeichnen. Die Verhältnisse in Süd- und Osteuropa und auf der iberischen Halbinsel (Spanien, Portugal) sind andere und nur bedingt mit den Entwicklungen in Mitteleuropa vergleichbar, auf die ich mich hier beschränken will.

 

Nacheiszeit

Gegen Ende der letzten Eiszeit, also vor etwa 11.000 bis 12.000 Jahren, erscheinen auf dem eisfrei werdenden Land, das durch die schiebenden und zurückweichenden Eismassen sowie die Schmelzwasserflüsse seine heutige Oberflächengestalt erhielt, zusammen mit den Pflanzen und Tieren auch die Menschen. Eine baumlose, tundraähnliche Kältesteppe mit Gräsern, Kräutern, auch kleinen, kaum kniehoch werdenden Weidengebüschen müssen wir uns vorstellen, im Rheintal etwa weideten große Rentierherden. Elche, Rothirsche und Riesenhirsche fraßen zusammen mit den Wollhaarmammuts den kargen Bewuchs in der Landschaft ab, Mufflons und Saigaantilopen lebten in den Bergen, Raubtiere wie Schneeleoparden und Höhlenlöwen, die großen Höhlenbären und Braunbären, Wölfe und Füchse hatten ihr Auskommen und, verschiedene Kleinsäuger bevölkerten die kalte Steppe. Wenig hatten die Menschen da zunächst zur Landschaftsgestaltung beigetragen.

Ganz allmählich verändert sich dann das Aussehen der Landschaft, die letzten Reste des Eises verschwinden, Skandinavien, von der Last der Eismassen befreit, hebt sich; vor etwa 8.000 Jahren versinkt die bis dahin bestehende Landbrücke nach England im Wasser; der Golfstrom muss nicht mehr um Schottland herum, sondern kann mit seinem warmen Wasser die Nordsee auch direkt erreichen. Damit ändert sich das Klima, es wird wärmer, ausgeglichener und regenreicher, Mitteleuropa kommt stärker unter ozeanischen Einfluss. Die Ostsee, zunächst ein reines Binnengewässer, ein riesiger Schmelzwassersee, bekommt Anschluss an die Nordsee und damit den Atlantik und findet langsam zu ihrer heutigen Küstenlinie. Mit dem allmählich wärmer werdenden Klima wandern nach und nach immer mehr Pflanzenarten, auch erste Bäume, die sich vor dem Eis vorbei an den Alpen entweder nach Südosten auf den Balkan oder nach Südfrankreich zurückziehen konnten, wieder nach Mitteleuropa ein. Viele Pflanzenarten allerdings sind in Europa (im Gegensatz zu Amerika, wo der Weg nach Süden nicht versperrt war) durch die Eiszeit verschwunden, weil sie über den Riegel der Alpen nicht weiter nach Süden ausweichen konnten.

Mammut und Höhlenbär, auch Schneeleopard und Höhlenlöwe verschwinden. Wie weit der Mensch durch Jagd an deren Aussterben beteiligt war – darüber streiten die Gelehrten. Nachfahren der nacheiszeitlichen Tierwelt Mitteleuropas leben heute vorwiegend in Hochgebirgen und arktischen Regionen. Lange noch bleibt die Landschaft offen und ohne dichten Wald, Gras- und Krautsteppen einerseits und zunehmend große Strauchgebiete, etwa Haselsträucher, die flächendeckend auftreten, andererseits. Zögerlich kommen die Bäume, die Birken und Kiefern zunächst, auch die Fichten auf die Höhenzüge der Mittelgebirge, dann Erlen und Weiden, die Eichen und nachfolgend die anderen heute hier heimischen Baumarten, zuletzt wohl die Buche und die wärmeliebende Linde.

Neolithikum

Mit dem Beginn des Neolithikums, der sogenannten Jungsteinzeit, die für Mitteleuropa etwa ab 5.000 v. Chr. angesetzt wird, also mit dem Beginn der Sesshaftwerdung und dem Übergang zu einer Hirten- und Bauernkultur – man spricht von der neolithischen Revolution – ändert sich auch der Einfluss des Menschen auf die Landschaft. Er greift gestaltend in die Natur ein. Kulturpflanzen wie Einkorn, Emmer, Erbse, Linse und Lein sowie Haustiere wie Rinder, Schafe und Ziegen kommen zur natürlichen Flora und Fauna hinzu. Wie stark der Übergang zu Pflanzenbau und Tierzucht durch Einwanderung oder Übernahme von Kulturtechniken aus dem östlichen Mittelmeerraum, dem sogenannten fruchtbaren Halbmond, beeinflusst war, ist archäologisch nicht ganz zu klären, man sieht Expertenwissen der angestammten Bevölkerung und der Orientalen vereint. Die Kulturpflanzen und Haustiere kommen ja auch von dort und sind nicht aus mitteleuropäischen Arten hervorgegangen – außer dem Hund vielleicht, der womöglich auch »vor Ort« aus dem Wolf entstanden ist. Die Dörfer, Siedlungen und Hofstellen werden vorrangig in sogenannter Ökotopengrenzlage zwischen Acker und Weideland am halben Hang angelegt, nach unten die feuchteren Wiesen zur Weidenutzung, der Bach im Tal zur Tränke, um den Hof oder die Siedlung herum die trockeneren Äcker für den Feldfruchtanbau. Diese Siedelungslage ist ja auch heute noch die vorherrschende, wie man z.B. auf einer Fahrt durch das mitteldeutsche Hügel- und Bergland gut sehen kann. Von dichten Wäldern kann wohl immer noch keine Rede sein, eher offene Flächen und hainartige Baumbestände. Die großen Kultstätten – man denkt zunächst an Stonehenge oder Avebury in England, aber auch viele andere wie z.B. die zwischen 2002 und 2004 ausgegrabene Großkreisanlage bei Goseck, in deren Nähe die berühmte Himmelsscheibe von Nebra gefunden wurde – haben immer einen Bezug zur Horizontlinie und damit zu den Bewegungen und Veränderungen am Sternenhimmel und im Sonnenlauf. Das trifft ja auch auf die Dolmen, Menhire und die in Mittel- und Nordeuropa sehr häufigen Großsteingräber (Hünengräber) zu. Die Menschen hausten nicht versteckt in Wäldern, sondern waren großräumig gestaltend im weit überschaubaren Landschaftsraum tätig. Natur wird zur Kulturlandschaft und ist durchzogen von heiligen Orten, heiligen Hainen oder Einzelbäumen, heiligen Seen und Quellen …

 

Kupfer-, Bronze-, Eisenzeit

Die Größe der neolithischen Kultur verdämmert nach und nach. Mit dem Beginn der Metallverarbeitung (Kupferzeit, Bronzezeit, Eisenzeit) und der beginnenden Nutzung des Pferdes als Reit- und Arbeitstier, das die Europäer vielleicht von östlichen Reitervölkern übernommen hatten, verändert sich auch der Ackerbau, es kann gepflügt, größere, auch bisher nicht genutzte Flächen können bewirtschaftet werden. Die Siedlungen sind aber auch vor feindlichen Reitern zu schützen – durch Palisaden, Wälle, später auch Mauern. Die Siedlungen der keltischen, germanischen und slawischen Stämme in Mitteleuropa sind aber zunächst nicht ortsfest, sie werden immer wieder aufgegeben und ein Stück entfernt neu angelegt. Ein neues Stück Wald wird gerodet, es wird gebaut, Äcker und Weiden werden neu angelegt, die ehemalige Kulturfläche wird von der Natur wieder übernommen. Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren, es gibt da sehr verschiedene Erklärungsansätze. In der neu von der Natur wieder übernommenen Fläche hat die Buche als Nachfolgebaum der zunächst auftauchenden Pioniergehölze eine gute Chance und wird so zum in Mitteleuropa waldbestimmenden Baum.

Mit der Ausdehnung des römischen Reiches wird Mitteleuropa geteilt, die Römer gaben ihren Kolonien nördlich der Alpen eine eindeutige Grenze. So verlaufen die Entwicklungen nördlich und südlich des Limes zunächst unterschiedlich. Eine schriftlose, eisenzeitliche Ackerbaukultur wird überformt oder überwältigt durch die römische Verwaltungsstruktur. Die römischen Siedlungen und Stadtgründungen entlang Rhein und Donau bleiben dauerhaft bestehen. Ein durchgeplantes Straßen-, Wege- und Handelsnetz entsteht. Die Römer richten in den eroberten Gebieten auch ein eigenes System von Agrarbetrieben, die sogenannten Villen ein, dauerhaft arrondierte Landwirtschaftsbetriebe, in denen durch die Gewähr der Dauer auch die Anlage von langfristigen Kulturen wie z.B. Obst- und Weinbau mit Terrassierung der Hänge etc. möglich ist. Griechisch-römische Kulturlandschaft dringt nach Mitteleuropa vor.

Ab dem 3. nachchristlichen Jahrhundert beginnt das römische Reich zu wanken und langsam zu zerfallen, die Villen werden verlassen, die durchstrukturierte Kulturlandschaft verfällt und verwildert bis auf geringe Ausnahmen. Das prähistorisch-eisenzeitliche Leben der keltischen und germanischen Stämme nimmt wieder seinen Lauf. Die Bevölkerungsdichte geht deutlich zurück. Ein Großteil der »zivilisierten« Menschen des römischen Reiches verlässt Mitteleuropa gen Süden. Es beginnt das Chaos der Völkerwanderungszeit, der dark ages, der dunklen Zeitalter, wie diese Periode im Englischen genannt wird. Reitertruppen aus dem Osten fallen ein, ganze Volksgruppen machen sich auf den Weg, kürzere und weitere Strecken. Siedlungen werden angelegt und wieder aufgegeben. Mitteleuropa »verroht und verwaldet«, nicht vollständig, es bleibt immer an den zum Leben geeigneten Plätzen eine Restbevölkerung, aber von einer Kulturlandschaft Mitteleuropas kann nicht mehr die Rede sein. Das Bild von dem dunklen, bösen, gefährlichen Wald, wie es in den Volksmärchen vermittelt wird, hat wohl mit dieser Zeit zu tun.

 

Mittelalter

Ab dem 7./8. Jahrhundert beginnt langsam das Christentum in Mitteleuropa einzusickern durch einzelne Mönche zunächst, die von Südfrankreich und Spanien her, aber auch aus dem iroschottischen Raum einwandern und in der mitteleuropäischen Wildnis als Einsiedler leben. Mit dem zunehmenden Einfluss des Christentums beginnt dann eine ganz neue Kultivierungsphase. Im Frühmittelalter ist davon in der Landschaft zunächst wenig zu bemerken, erste Kirchenbauten gibt es in karolingischer Zeit in bereits erschlossenen Gebieten. Mit dem beginnenden Hochmittelalter und den zunehmenden Klostergründungen aber setzt ein beispielloser Aufschwung ein. Insbesondere ist hier der Kultivierungsimpuls des Zisterzienserordens zu nennen. Aus dem Bestreben, die ursprünglichen Ideale der Benediktiner wiederherzustellen, wird gegen Ende des 11. Jahrhunderts von Robert von Molesme in Cîteaux ein neues Kloster gegründet, nach dem sich der neu entstandene Orden benennt. Dieser Orden breitet sich sehr schnell in ganz Europa aus, sowohl durch Neugründungen als auch dadurch, dass sich bestehende Abteien ihm anschließen. Neben den Chorbrüdern gibt es in jedem Kloster eine große Zahl von Laienbrüdern, durch deren Arbeit nicht nur die Klöster gebaut, sondern die Landschaft urbar gemacht und die umfänglichen Klostergüter bewirtschaftet werden, die man vielleicht als Muster- und Lehrgüter für die bäuerliche Bevölkerung ansehen kann. Viele Mönche sind weit herumgekommen und bringen nicht nur ihre Bildung, sondern auch neue Kulturpflanzen, die dann zunächst in den Klostergärten kultiviert werden, und neue Arbeitstechniken mit.

Neue Städte, insbesondere an Handelswegen, entstehen, werden z.T. planmäßig entwickelt und befestigt. Die Bevölkerung wächst im Mittelalter sehr schnell, die Entwicklung der städtischen und dörflichen Infrastruktur hält dem aber zunächst Schritt. Überall, wo Menschen siedeln, werden Kirchen gebaut. Die dürfen nicht wieder verlassen werden, damit ist auch die Ortstreue der Dörfer gegeben. Die Bauern bleiben erstmals in Mitteleuropa »auf der Scholle«. Die gesamte Landschaft wird, ausgehend von den Klöstern, kultiviert. Wälder werden gerodet, Feuchtgebiete trockengelegt, durch sehr geschickte Meliorationsmaßnahmen wird auch in feuchteren Lagen Ackerboden gewonnen (Straßengräben zur Entwässerung der angrenzenden Felder kennen wir ja immer noch). Es kommt gewissermaßen Licht in die Landschaft, die kleinteiliger und vielgestaltiger wird. Es entstehen ganz neue Biotope und Ökosysteme, z.B. die sogenannten Wald- und Wegrandgesellschaften; durch nun dauerhafte Feldbewirtschaftung, Dreifelderwirtschaft z.B., auch neue Acker(un)krautgesellschaften. Dadurch, dass neue Lebensräume entstehen, wandern neue Pflanzen- und Tierarten ein, besonders aus dem mediterranen Raum und den Steppengebieten des Ostens, die bisher noch keine Entwicklungsmöglichkeiten in Mitteleuropa hatten. Die Biodiversität nimmt durch die lebensgemäße Kultivierung der Landschaft zu. Eine Landschaft wird artenreicher und »produktiver« durch menschliche Kultur, wenn man unter Kultur nicht die brutale Ausbeutung versteht, die wir heute mit Flächennutzung meinen, sondern pflegenden, sorgsamen und sachgerechten Umgang. Auf die Entwicklung der verschiedenen land- und forstwirtschaftlichen Kulturtechniken wie Dreifelderwirtschaft, Vierfelderwirtschaft, Plaggenwirtschaft, Hoch-, Mittel- und Niederwaldkultur usw. kann hier im Einzelnen nicht eingegangen werden.

Es findet so etwas wie eine Organbildung im Natur- und Kulturraum statt. Zusammenhängende Flurstücke bilden eine Gemarkung, die Gemarkungen kann man, wenn sie nicht – wie heutzutage oft – willkürlich festgelegt sind, sondern sich landschaftlich ergeben, wie die Organe einer Gesamtlandschaft, eines Gesamtlebenszusammenhanges ansehen. Wenn man von der Kirche als dem Dorfmittelpunkt ausgeht, ergibt sich eine organische Gesamtstruktur (in den thüringischen und hessischen Berggebieten kann man das noch sehr gut sehen). Um die Kirche stehen die Höfe, wo Mensch und Vieh ihr Dach über dem Kopf haben. Nah bei den Höfen zunächst die Gärten, welche tägliche Aufmerksamkeit erfordern, dann kommen die Äcker, die Streuobstwiesen und Dauerweiden. Der Bach im Tal ist von einem Gehölzsaum umgeben, der die Ufer schützt und das Wasser im Sommer beschattet. Hügelkuppen sind zum Schutz vor Erosion bewaldet. Feuchte Senken sind durch Erlen- oder Weidengebüsche drainiert. Im Anschluss an die Dauerweiden kommt dann ein wenig Wald, Niederwald zur Brennholznutzung oder lichter Hutewald zur Eichel- und Bucheckernmast für die Schweine im Herbst oder auch Hochwald. So weit wie die Glocken der Kirche zu hören sind, reicht das Kirchspiel. Dann beginnt das nächste. Da geht die Uhr mit der Glocke, die zu den Gebetszeiten ruft, schon wieder ein wenig anders. Die mittelalterliche Kulturlandschaft ist eine vollständig von menschlicher Arbeit und menschlichem Gebet durchdrungene. Macht sie das so schön?

 

Neuzeit

Im Spätmittelalter setzt sich der explosionsartige kulturelle Aufschwung des Hochmittelalters nicht fort, es gibt Stagnation, Hungersnöte, Pestepidemien. Aber insgesamt bleibt die hohe Kulturstufe, die die vergangenen Jahrhunderte gebracht haben, zunächst erhalten. Der Dreißigjährige Krieg allerdings bedeutet dann einen ungeheuren Rückschritt für die mitteleuropäische Kulturentwicklung. Die Bevölkerung in den vom Krieg heimgesuchten Gebieten geht vielleicht bis auf die Hälfte zurück. Das bedeutet, dass viele Dörfer, ja ganze Landstriche verlassen werden und sogenannte Wüstungen entstehen. Der Wald holt sich die ehemals kultivierten Gebiete dann zurück. Die Erholung nach dem Dreißigjährigen Krieg ist mühsam und langwierig. Von den Kirchen und Klöstern (die meisten sind ja durch die Reformation aufgelöst) geht auch kein gestaltender Kulturimpuls mehr aus.

Grundsätzliche landschaftliche Veränderungen beginnen dann wieder mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Bergbau, Kohle-, Stahl- und später die Ölindustrie nehmen einen rasanten Aufschwung, ganze Landstriche werden zur Ausbeutung von Bodenschätzen umgewühlt, die Städte wachsen, die Dörfer schwinden. Ein Netz von Eisenbahnschienen wird über Mitteleuropa gelegt, große Kanalbauten werden realisiert, z.B. der Mittellandkanal, der Straßenbau wird forciert, Gas- und Wasserleitungen sowie Stromtrassen werden gelegt. Zwei Weltkriege fegen im 20. Jahrhundert über Mitteleuropa hinweg und beschleunigen letztlich die weitere Industrialisierung. Die Landwirtschaft bekommt von den »Segnungen« der Industrie die schweren, bodenverdichtenden Traktoren, den Kunstdünger und später dann die Pestizide. Die verheerenden Wirkungen der Industrialisierung und industrialisierten Landwirtschaft für die Gesunderhaltung und Vielfältigkeit der Natur- und Kulturlandschaft mit Pflanze, Mensch und Tier sind eigentlich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts absehbar. Aber erst jetzt, zum Beginn des 21. Jahrhunderts, entsteht ein allgemeines Bewusstsein davon, dass die Erde endlich ist und es nicht einfach weitergehen kann wie bisher.

 

Ausblick

Die Infrastruktur unserer Zivilisation überzieht den gesamten Planeten: Straßen- und Schienenwege, Schiffsrouten und Fluglinien, Ver- und Entsorgungsleitungen für Gas, Öl, Wasser und Abwasser, Stromtrassen und -netze etc. Dazu kommt die unsichtbare, aber nicht weniger wirksame Infrastruktur der elektromagnetischen Wellen in verschiedenen Frequenzbereichen zur Informationsübertragung. Tausende von Satelliten umkreisen die Erde …

Man kann sich nicht mehr auf Mitteleuropa beschränken, sondern muss global die eine Erde und die eine Menschheit in den Blick nehmen. Unsere Kulturböden verlieren rapide an Fruchtbarkeit. An Rohstoffen verbrauchen wir zweieinhalb bis dreimal so viel wie aus den Lebensprozessen der Erde regeneriert werden kann. Ein gewaltiges Artensterben hat eingesetzt. Die Veränderungen der Atmosphäre und damit der Wetter- und Klimabedingungen scheinen unumkehrbar. Das alles ist sattsam bekannt. Versuche, den Menschen herauszuhalten, damit die Natur gerettet werden kann, sind zum Scheitern verurteilt. Der Mensch muss sich zu seiner Verantwortung für die Gestaltung der Erde bekennen. Wir müssen lernen, die Lebenssphäre unserer Erde nicht nur auszusaugen, sondern ihr stabilisierende, gesundende Kräfte mitzugeben. Diese Kräfte aber sind nicht irdischer, sondern geistiger Natur. Im biologisch-dynamischen Landbau z.B. ist ein Ansatz dafür gegeben.

Im Erdzeitalter des Holozän, der Nacheiszeit, hat der Mensch mit der Umgestaltung der Erde begonnen. Heute ist das Antlitz unseres Planeten vollständig von menschlichem Einfluss geprägt, so dass man wohl berechtigt – wie viele Wissenschaftler es tun – vom Übergang in ein neues Erdzeitalter, das des Anthropozän, sprechen kann. Vielleicht dürfen wir aber auch davon sprechen, dass seit zweitausend Jahren durch den, der mit seinem Menschenleben auf der Erde, seinem Tod und seiner Auferstehung sich untrennbar mit der Erde, ihrer Lebenssphäre und den Menschen verbunden hat, unsere Zivilisation nicht nur in eine neue Zeitrechnung – wir zählen ja die Jahre nach Christi Geburt –, sondern diese unsere Erde in das Zeitalter des Christozän eingetreten ist.